Frau Gysin, Sie vertreten seit Anfang 2024 die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) im Steuergremium (STG) der IIZ. Was sind Ihre bisherigen Eindrücke?
Nicole Gysin: Ich bin in meiner ersten gemeinsamen Sitzung des STG und des Entwicklungs- und Koordinationsgremiums (EKG) auf eine Gruppe spannender Menschen gestossen, die sich in ihren Bereichen mit viel Herzblut engagieren. Es beeindruckt mich, dass es gelungen ist, alle wichtigen Player der IIZ nicht nur an einen Tisch, sondern tatsächlich zu einem Dialog zusammen zu bringen. Als Leiterin Stab Kommunikation bei der KdK ist mir zudem aufgefallen, wie professionell die Nationale IIZ in ihrem Auftritt nach aussen ist: über die Website und den Newsletter kann man sich schnell einen Überblick verschaffen, was IIZ bedeutet.
Sehen Sie auch kritische Aspekte?
NG: In den ersten Sitzungen, an denen ich teilgenommen habe, ist mir aufgefallen, dass Kommunikations- und Organisationsthemen viel Raum eingenommen haben. Ich hatte den Eindruck, dass sich die IIZ jüngst sehr stark mit sich selbst beschäftigt hat. Das scheint offenbar aus einem Bedürfnis heraus entstanden zu sein, da die Nationale IIZ in den Kantonen viel zu wenig wahrgenommen wurde. Deshalb war es sicher richtig, die Kommunikation zu verbessern. Für die Zukunft wünsche ich mir jedoch, dass wir wieder vermehrt inhaltliche Diskussionen führen.
Herr Knöpfli, Sie vertreten seit 2021 die Ständeinitiative Sozialpolitik im EKG. Erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Eindrücke?
Daniel Knöpfli: Meine ersten Eindrücke gehen ins Jahr 2019 zurück. Da war ich das erste Mal an einer nationalen IIZ-Tagung, damals in St. Gallen. Dort hat mich die sehr gute Vernetzung über alle drei Staatsebenen und auch zur Wissenschaft stark beeindruckt.
Hat sich seither etwas verändert?
DK: Aufgefallen sind mir einerseits die personellen Wechsel. Einige sehr langjährige und engagierte Fachpersonen haben das EKG, teilweise infolge Pensionierung, verlassen. Vom Schwung dieser Menschen hat das EKG und die Nationale IIZ aus meiner Sicht stark profitiert.
Und andererseits?
DK: Ein wichtiger Schritt ist das Umsetzungskonzept IIZ 3.0 mit seinen Zielen: die IIZ systematisch weiterzuentwickeln, die Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu gestalten, die Rückkoppelung zu den IIZ-Partnern – den Kantonen, Städten und Gemeinden – zu vertiefen und die Anliegen aus der Basis aufzunehmen. Das Entscheidendste für mich ist die Kultur, dass wir eine gemeinsame, gute Kultur pflegen.
Frau Gysin, wie sehen Sie das Zusammenspiel mit der Konferenz der Integrationsdelegierten (KID) und den anderen interkantonalen Konferenzen?
NG: Mit meinem Einsitz im STG und der Zusammenarbeit mit der KID, deren Geschäftsstelle im Generalsekretariat der KdK angegliedert ist, hat sich nichts geändert. Wir pflegen bereits einen engen Austausch. Im Haus der Kantone sind die Wege zwischen den interkantonalen Konferenzen kurz. In letzter Zeit habe ich trotzdem das Gefühl, dass es den Bund oder die IIZ braucht, damit wir uns wieder vermehrt «treffen».
Was meinen Sie konkret damit?
NG: In der Ausländerintegration ist mir aufgefallen, dass der Bund verschiedene neue Gremien geschaffen hat, um aus meiner Sicht klassische IIZ-Themen zu diskutieren. So wurden für Fragen zum Schutzstatus S drei Kerngruppen eingesetzt, die sich mit Arbeitsmarktintegration, der Potenzialnutzung und der Kommunikation befassen. Ich verstehe nicht, warum man nicht in den IIZ-Gremien arbeitet. Wir sollten uns zum Ziel setzen, Themen zur Ausländerintegration wieder vermehrt in die IIZ-Gremien zu tragen.
Herr Knöpfli, welche Erwartungen haben Sie an die IIZ von heute – nebst der Kulturpflege?
DK: Der Grundgedanke der IIZ ist für mich das systemübergreifende Denken und Handeln an den Systemgrenzen. Wichtig ist die IIZ-Mission – Schnittstellen werden zu Nahtstellen. Alle IIZ-Akteure setzen sich für eine nachhaltige berufliche und soziale Integration ein. Dieses gesellschaftliche Anliegen muss handlungsleitend sein, sowohl auf der strategischen als auch auf der operativen Ebene der Kantone, Städte und Gemeinden. Das «Ermöglichen» muss im Zentrum stehen.
Wie kann die IIZ von Ihrem Engagement profitieren?
NG: Obwohl die KdK das jüngste Mitglied der IIZ-Familie ist, habe ich sehr viel praktische Erfahrung in der interinstitutionellen Zusammenarbeit. Ich bin seit fast 20 Jahren bei der KdK und habe Projekte und Programme über alle drei staatlichen Ebenen sowie mit nicht staatlichen Akteuren entwickelt. Bei der Integrationsagenda haben wir mit Fachleuten aus den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt, Sozialhilfe und Gesundheit zusammengearbeitet. Das war eine wertvolle Erfahrung mit teils harten Diskussionen, die schliesslich zu einem Ergebnis führten, das von allen getragen wird. Diese Erfahrung kann ich in die IIZ-Gremien einbringen.
DK: Als Co-Präsident der Zürcher Sozialkonferenz sehe ich, was vor Ort läuft. In Workshops mit den drei Staatsebenen spüre ich, dass der Bund mehr über lokale Themen erfahren will. Den Kantonen gelingt es nicht immer, dieses Praxiswissen zu vermitteln. Trotzdem ist diese direkte Zusammenarbeit zentral. Gerade in der Deutschschweiz, wo die Sozialhilfe nahe bei den Gemeinden ist, wird das Wissen leichter nach oben weitergegeben.
Gibt es Punkte, wo Sie denken, die muss die IIZ unbedingt beibehalten? Gibt es Punkte, bei denen man sich noch verbessern könnte?
DK: Beibehalten würde ich unbedingt die nationalen IIZ-Tagungen. Sie sind ein Erfolg und bringen die Fachpersonen zusammen. Auch die Idee von weiteren thematischen Tagungen für die IIZ-Koordinatorinnen und -Koordinatoren wie jene zum Datenschutz finde ich gut. Die Vernetzung zwischen den verschiedenen IIZ-Akteuren ist entscheidend. Wenn man sich kennt, wird die Zusammenarbeit einfacher. Man baut Vertrauen auf, was den Themen und der Sache dient.
NG: Für mich ist das schwierig zu beurteilen, da ich neu dabei bin. Ich denke, es muss uns gelingen, zu einer verschworenen Truppe zu werden. Man sollte sich gegenseitig vertrauen, offen für die gegenseitigen Anliegen sein und die Wege kurz halten. So wie ich die IIZ-Kolleginnen und -Kollegen bis jetzt erlebt habe, sollte das gelingen.
Zum Schluss noch einen Blick nach vorne: Wo sehen Sie die IIZ 2030?
NG: Ich hoffe, dass die IIZ bis ins Jahr 2030 weitere inhaltliche Impulse setzen kann. Es sollte mehr sein, als sich gegenseitig darüber zu informieren, woran man arbeitet – ein echter Austausch. Schnittstellen werden zu Nahtstellen ist etwas Bildliches: Man ist eng miteinander verwoben und erarbeitet gemeinsam tragfähige Lösungen. Die enge Zusammenarbeit in der IIZ ist befruchtend.
DK: Ich wünsche mir in den IIZ-Gremien Menschen mit Herzblut, die ihr Umfeld mobilisieren können. Vor dem Hintergrund der anstehenden finanzpolitischen Themen, wird es wichtig sein, die Inhalte und deren Effekte in den Fokus zu stellen.
Das Interview führten Carmen Schenk und Monika Tschumi, Vertreterinnen der IIZ-Fachstelle für das SECO und das BSV.
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Nicole Gysin ist als Leiterin Stab Kommunikation Mitglied der Geschäftsleitung der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK). Die KdK fungiert als politische Plattform der Regierungen aller 26 Kantone zur Meinungsbildung in der Bundespolitik. Zudem ist Nicole Gysin für das Dossier Integration/Migration zuständig und vertritt die KdK im Steuergremium (STG) der IIZ.

Daniel Knöpfli vertritt seit 2021 die Städteinitiative Sozialpolitik im Entwicklungs- und Koordinationsgremium (EKG) der IIZ. Die Städteinitiative vertritt die Interessen von etwa 60 Städten. Sie setzt sich für ein kohärentes System der sozialen Sicherung ein. Zudem ist Daniel Knöpfli Co-Präsident der Zürcher Sozialkonferenz, die alle relevanten Behörden und Institutionen des Sozialwesens in den Zürcher Gemeinden und Städten umfasst.